Dr. med. Uwe Günter biologische Orthopädie – Stress-Medizin – individuelle Entzündungsdiagnostik und Neuraltherapie Privatpraxis Privat- und Kassenärztliche Praxis Thera-Klinik

Die neuraltherapeutische Anamnese

Ein Patient sucht den Kontakt zu einem Arzt, einem Therapeuten oder einem Auszubildendem entweder aus freiem Willen bzw. auf eigenen Wunsch oder auf  Empfehlung bzw. Überweisung durch Kollegen.

Da der schriftliche Überweisungsgrund nicht immer mit den Angaben des Patienten überein stimmt, sollte schon zu Kontaktaufnahme vom mittleren medizinischen Personal gezielt nach dem Grund der Konsultation gefragt werden („Wer oder was führt Sie zu uns?„).

Oft klären sich hier schon Mißverständnisse.

Bei subjektiven Beschwerden, welche nur verbal zu beschreiben sind, kann man dem mehr oder weniger nervösen Patienten Hilfestellung geben („Zeigen Sie es genau!“).

Abb. 1 Pat zeigt auf den „schmerz“ (hier das Dermatom C5 li)

Dabei sollte man dem Patienten empathisch gegenüber sitzen, zuhören und wichtige Formulierungen aufschreiben (Je nach wirtschaftlicher Kapazität kann dies durch Angestellte oder Assistenten dokumentieren, insofern es nicht schon im Vorfeld (per Medien bzw. am Tresen oder im Wartezimmer) auf einem Fragebogen begonnen wurde).

Da Beschwerden als biologisches Warnsignal gelten, sollte man nach kausalen Ursachen fahnden (Nicolas Stamer: „Der Neuraltherapeutisch ist der „Warum“-Doktor“.). Dabei kann man während der Anamnese Suggestivfragen einschieben, um einen „roten“ Faden nicht zu verlieren. Sollte sich der Patient nicht an ein kausales Ereignis erinnern bzw. ein solches nicht in Betracht ziehen, muss chronologisch rückwärts gefragt werden (retrospektive Anamnese bzw. „Was geschah davor?“). So kann es nötig sein, Auffälligkeiten aus dem Alltag (Schule, Beruf und Freizeit) sowie Urlaub(sreisen), Umzüge bzw. Renovierungen unter Berücksichtigung individueller Lebensphasen wie Ein- oder Umschulung, Pubertät, Klimakterium, aber auch Konflikte durch Trennung, Scheidung, Krankheit und Tod der Angehörigen bzw. Freunde chronologisch aufzuarbeiten. Das kann mehrere Gesprächstermine in Anspruch nehmen und gut über den EBM bzw. die GOÄ abgerechnet werden.

Die Schmerzanamnese

Als eines der häufigsten Gründe für eine Arztkonsultation soll nun der Schmerz näher in der Erhebung der Krankengeschichte betrachtet werden.

Es gibt Versuche, Schmerzen in akut, subakut, rezidivierend, latent, chronisch usw. einzuteilen. Die Einteilung in Organschmerzen, diverse Gelenkschmerzen sowie je nach Gewebetyp (z.B. Fibromyalgie ist erst nach klarer Diagnosestellung sinnhaft und somit die in Hand-, Arm-, Schulter, Kopf-, Nacken-, Rücken-, Brust-, Bauch-, Becken-, Hüft-, Bein- und/oder Fußschmerzen einfacher und praktikabler.

Mein Vorschlag ist, den vom Patienten empfundenen Schmerz je nach Dermatom zu bezeichnen, in welches er projiziert wird (z.B. Gesichtsschmerz C2 bei Haubenkopfschmerz, C3 beim Hinterkopfschmerz, C4 beim Nackenschmerz, C5 beim Schulterschmerz usw.).

Er kann auch als als morgendlicher bzw. Anlauf-,Belastungs-, als Ermüdungs-, als Ruhe-, als Nacht- oder als Dauerschmerz (merke: A’BERND) beschrieben werden.

Der morgendliche bzw. Anlauf-Schmerz nach Positionsänderungen wie Aufstehen usw. kann bei initialen Störungen durch eine latente Acidose  (initiale claudicatio, Disstress nach Selye) bzw. einen neuromodulativem Trigger mit ipsilaterler Störung der Lymph- und Leitbahnen sowie erster Aktivierung zentraler Hemmsysteme ohne Nachweis einer manifesten radiologischen Störung bzw. serolgischem Anstieg von u.a. Akut-Phase-Proteinen auftreten. Häufig sind hier nur kinesiologische Muskelbefunde , osteopathischen und manualmedizinische Befunde sowie vegative oder sportmedizinische Stress-Untersuchungen auffällig.

Der Belastungs-Schmerz ist Kennzeichen organischer Pathologien des jeweiligen Organ-Gewebe-Systems durch kausale Ursachen bzw. manifeste Störungen dieser Systeme, deren Stoffwechsels sowie deren manifeste Durchblutungsstörungen (absolute claudicatio bei akutem Stress (z.B. Embolie, Thrombose, Infarkt, Entzünung, Verletzung, Fehl- bzw. Überlastungen)) und Aktivierung des Sympthikus über die 1. Stress- bzw. SMA-Achse). Je nach Kausalität und Tests sind körperliche Befunde, paraklinische Aufnahmen bzw. Stresstests pathologisch, jedoch oft unzureichend genutzt, obwohl die zeitlichen und wirtschaftlichen Bedingungen gegeben sind (kein Budget!).  Entzündungszeichen ist oft nur fakultativ, die Acidose nicht nachweisbar und neuromodulative Trigger mit Aktivierung des Hypothalamus (z.B. latente granulomatöse und abzedierende Entzündungen) entziehen sich (noch) der evidenz-basierten Medizin, sprechen jedoch hervorragend auf Lokalanästhetika an.

Der Ermüdungs-Schmerz weist auf Störungen des psycho-neuro-endokrino-immunologischen Stoffwechsel sowie funktionelle Durchblutungsstörungen (relative claudicatio) bzw. chronische Fibrolyse des Bindegewebes, der extrazellulären Matrix bzw. Grundregulation hin. Diese können (un)bekannten Stressoren, Intoleranzen und schleichende Infekte (silent inflammation nach Pall) sein, was zur einer Störung der 2. Achse bzw. HPA-Achse über den Hypothalamus mit Anstieg des CRH, ACTH und Kortisols), erste Nachweise eines Anstiegs von Histamin u.a. pro-inflammatorischen Zytokine bei Störungen des Vitamin-D-Metabolismus sowie Tyrosin-Tyronin-Tyroxin-Systems sein. Je nach Paraklinik sollten auf funktionelle Befunde wie Blockierungen, Druck- und Triggerpunkte, Verquellungen usw. geachtet werden.

Der Ruhe-Schmerz tritt bei Dekompensationen der o.g. Überlastung durch zusätzliche metabolische Prozesse (z.B. Organ-, Gefäß- bzw. Infektionskrankheit, Idiosynkrasie oder Jarisch-Herxheimer-Reaktion durch Stoffwechselprodukte aus den Zellnekrosen, der Medikation, anderer bzw. nicht beseitigter Intoxikation u.ä.) mit serologischen Befunden auf. Neben der Organbefunden und kann auch ein Zeichen einer Überlastung des enterischen Nervensystems (Dysbiose des Mikrobioms), die Beteiligung des Parasympathikus bzw. Vagus, des Insulin-Systems u.a. bei einer initialen Erschöpfung des Sympathikus (adrenal fatigue) sowie der o.g. Schilddrüsen-Achse gesehen werden. Hier sind Labortests obligatorisch und alle bisher erfolglosen therapeutischen Massnahmen zu optimieren bzw. nicht nicht eingesetzte Rehabilitationen zu beschleunigen.

Der Nacht-Schmerz stellt die Überlastung des Immunsystems (Aktivierung subkortikaler Zentren über vegetative Kerne wie Locus coeruleus, Tegmentum, Raphé-Kerne und Epiphyse bzw. deren Verschaltungen über Neuro-Faktoren wie BDNF und -Transmitter wie Noradrenalin, Dopamin, Serotonin, Melatonin u.a.) bei Überwiegen der Entzündung und seiner Mediatoren wie Akut-Phase-Proteine, Histamin u.a. Chemokine und Störungen des mitochondrialen Sauerstoff-Metabolismus bzw. oxidativem und nitrosativem Stress sowie Erschöpfung der HPA-Achse (Mangel an Kortisol) dar.

Der Dauer-Schmerz ist eine Erkrankung des kortikalen und limbischen Nervensystems i.S. eines Schmerzgedächtnisses bei Erschöpfung des Serotinin- und/0der anderer Neurotransmitter- bzw. Endocannabinoid-Systeme und der so genannten Stress-Achsen einschl. der Schilddrüsen-Achse sowie o.g. adrenerge, suprarenale und mitochondriale Faktoren.

Geburtsanamnese

Sehr wichtig sind Hinweise aus Geburtsverlauf (v.a. Lungenunreife bei Frühgeburt, Jing-Mangel bei Mehrlingsgeburt, cranial faults bei komplizierten Schädellagen bzw. verzögertem Geburtsverlauf), einem Kaiserschnitt (sectio caesaria) mit fehlender Aufnahme von Vaginalflora und der Stillzeit mit (zu) früh eingesetzter Ersatzmilch (Reaktion auf Kuhmilcheiweiß), dem Auftreten von Milchschorf sowie Koliken als Zeichen einer Dysbiosis. Ein so genannter Schiefschädel (Plagiocephalie), blockierte Kopfgelenken bzw. kopfgelenk-induzierte Symmetriestörung (KISS), Allergien, Nahrungsmittelintoleranzen, Neurodermitis u.a. stress-induzierten Erkrankungen des atopischen Formenkreises ergeben auch Hinweise auf Folgestörungen wie Atlasfehlstellung und -blockierungen, Zahnungs- , Biss- und Kau-Störungen bzw. eine so gennante CMD (aber auch craniocervicale und craniosacrale Dysfunktion) oder besser Bissrelationsstörung.

Unfall-, Operations-, Infekt- und „Stress“-Anamnese

Ereignisse jedweder Art ergeben kausal Hinweise für Beschwerden. Jeder Sturz angefangen vom Wickeltisch, in der Kita, Schule , beim Sport usw. kann besonders Schädel(nähte), Atlas bzw. HWS bis zum Steiß in dauerhafte Mitleidenschaft ziehen. Bei Operationen ergeben sich manchmal aus dem Grund, dem Zeitpunkt (vor allem bei mehreren Narkosen und Operationen in kurzen Zeitabständen ohne ausreichende Regeneration), dem Verlauf („Die Wunde heilte schlecht.„) und aufgetretener Komplikationen an Organen, Extremitäten, Kopf und Zähnen zusätzliche Hinweise für kausale Zusammenhänge (Entfernung der Polypen und/oder Mandeln bei hypererger Immunsituation oder hartnäckigen Streptokokken, einzelne Wurzelspitzenresektionen von Zähnen, der Entfernung und Ersatz durch Metall-Implantate, jeder Damm-Riss, -schnitt bzw. -naht, Abort bzw. Interruptio usw.). Oft muss man Dokumente wie diverse Ausweise und Pässe einsehen sowie nach „innerlichen“ Narben suchen.

Nicht nur akute, sondern chronische und latente Infektionen wie stomatologische, rhinologische, otologische und pharyngologische Entzündungen sind immer hinweisend auf immunologische Regulationsstörungen. Darüber hinaus geben Antikörperstatus, Dauermedikation, Hauterkrankungen und schulmedizinische Diagnosen Hinweise für Dekompensationen des jeweiligen Organsystems, Keimblatts bzw. des Systems der Grundregulation.

Im Rahmen der chronologisch-rückwärtigen Befragung (retrospektive Anamnese) gilt der Pubertät, der Mensis bzw. des Klimakteriums, gilt den Organen der adrenergen und kortikalen Stressachse, der Schilddrüse, des Pankreas und der Leber besondere Aufmerksamkeit. Das Auftreten von anderen Symptomen wie Lymphödem, Schwellungen, Hauterscheinungen, Schwitzen, Schwindel, Erschöpfung und emotionalen Symptomen geben Hinweise für Störungen, welche durch Laboruntersuchungen, kinesiologische und andere Stress-Tests untermauert werden können.

Zahnanamnese

Eine der wichtigsten und schwierigsten Abschnitte ist die Erarbeitung der stomatologischen, kieferorthopädischen und –chirurgischen Anamnese.  Eine Übersicht durch ein Röntgenbild (z.B. Panorama-Aufnahme bzw. OPTG), einen Behandlungsverlauf bzw. Status (1. Füllungen (v.a. Amalgam sowie verschiedene Metalle), 2. Prothetik, 3. Operationen (z.B. Wurzelresektionen, Implantate), Zahnersatz, Schienen und Apparaturen hilft. Oft ergeben sich bei hartnäckigen Beschwerden und Befunden Hinweis auf latente Intoxikation und Intoleranzen auf Umweltgifte bzw. dentogene „Laichengifte“, welche dringend eine Aufklärung erforden. Auch hier entwickeln sich immer bessere Labortests sowie kinesiologische und osteopathische Untersuchungen.

allgemeine bzw. vegetative „Stress“-Anamnese

Die folgende Übersicht dient abschließend als Hinweis, nach welchen Aspekten der Anamnese man fragen kann.

Alle subjektiven Angaben sollte der Patient selbst dokumentieren, um im Verlauf zu sehen, welche dazugekommen sind, sich verändert haben bzw. gelindert wurden.

Literatur

Dazu möchte ich v.a. den notwenigen Dialogen mit allen PatientInnen, meinen Lehrern und KollegIinnen und sonst nur das kleine Buch (mein erstes nach dem Physikum!) empfehlen:

Lange A (1988) Anamnese und klinische Untersuchung. Volk und Gesundheit, Berlin