Voraussetzungen zur körperlichen Untersuchung sind für den Untersucher (approbierter Arzt, konsilarischer Gastarzt bzw. Hospitant oder Student unter Anleitung) eine zugelassene Räumlichkeit (angemeldete Praxis bzw. Hausbesuch) mit nach den Vorgaben der zuständigen Ärztekammer bzw. Kassenärztlichen Vereinigung (nur bei so genannter „Kassenpraxis“) Abrechnungsgenehmigung, Beschilderung, barierefreier Zugang, Telefonanschluß, Hard- und Software, WC für PatientInnen und Personal, Wartebereich für PatientInnen sowie ein oder mehrere „Sprechzimmer“ mit ggf speziell zugelassenen Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten wie ambulante Operationen, Punktionen, Anwendung von Röntggen-Strahlen usw.
Nach der Erhebung der Anamnese erfolgt eine kurze mündliche Aufklärung über die Absicht der Untersuchung (und die auffordernde Bitte zur Entkleidung des zu untersuchenden Patienten je nach Untersuchungsabsicht). Der Dreh- und Angelpunkt einer Untersuchung stellt die möglichst frei stehende und höhenverstellbare Liege dar (Abb. 1).
Weiterhin benötigt man Hilfsmittel wie Handschuhe, Stethoskop, Reflexhammer u.ä., Stirnlampe, Spatel, Blutdruckmessgerät, Sauerstoffmessung, Waage, Messband etc.
Die Inspektion erfasst schon die Bewegungen des Alltags wie Gehen, Händedruck, Aus- und Ankleiden sowie Transfer (Wechseln vom Liegen, zum Sitzen, zum Stehen, zum Gehen, zum Bücken etc.). Sprache, Mimik und Gestik ergänzen den Habitus sowie die Haltung einschl. eines Rückenprofils, des Schulter- und Beckenstandes. Bei der Betrachtung der Konturen und Oberflächen (Schwellung, Atrophie, Form- und Achsenabweichungen) wird der Befund der Haut (Verfärbung bzw. Pigmentierung, Blutergüsse, Wunden, Narben, Schwielen, Trophik) erhoben. [32]
Sollte der Patient lokoregionale Symptome wie Schmerzen, neurolgische Symptome bzw. Juckreiz o.ä. angeben, wird er aufgefordert, dies mit einer Hand zu lokalisieren. Somit kann die segmentale Zuordnung zum Dermatom (z.B. nach Hansen und Schliack) dokumentiert werden. [1]
Die zusätzliche Inspektion von Iris, Lidern und Lippen nach Ferronato [2], Linien nach Lähr und Sölder [3], der Zunge, Handflächen und Fußsohlen (siehe Literatur der TCM), des Lymphbelts nach Gleditsch [4], der Verquellung über der Michaelis-Raute, die Konstitutionsphänome nach Aschner [5], Mayr [6] usw. ermöglicht dem naturheilkundlichen Therapeuten einen Hinweis auf Störungen (früh)funktioneller Art der primär nicht sichtbaren Organsysteme und grundregulativen Vorgängen der extrazellulären Matrix.
Nach der Erhebung der Anamnese und der Inspektion ist die Palpation der wichtigste Schrift zur Erlangung einer Diagnose. Nach der Hautpalpation mit dem Bindegewebsstrich [11,12] folgt die schichtweise Palpation der subkutanen und faszio-muskulären Systeme einschließlich Sehnen(scheiden), Kapseln sowie Periost.
Die osteopathische Diagnostik schließt die zusätzliche Palpation der Schädelknochen und -nähte (v.a. sphenooccipital, occipitotemporal, temporoparietal, parietofrontal, frontomaxillär) unter Atemprovokationen, der Atlasstellung [13], des stomatognathen bzw. Biß-Systems einschl. temporo-mandibuläres bzw. Kiefergelenk bei lockerem bzw. festem Biss sowie in verschiedenennen Stellungen des Unterkiefers zum Oberkiefer, der Wirbelsäulen-, Rippen-, Schultergürtel- und Beckengelenke nach chirotherapeutischen Kriterien (occipitoatlantal, atlantoaxial, C2-S1, vertebrocostal, sternocostal, sternoclaviculär, acromioclaviculär, iliosacral, sacrococcygeal und Symphyse) und letztendlich die viscerale Palpation ein [14,15].
Die Nackenreflex- bzw. Druckpunkte nach Adler [16] und Langer [17] (Abb.2) sind faszio-muskuläre Projektionsphänomene (pseudo)segmental bei Störungen im Bereich des Trigeminussystems. In bis zu 80% der von den klinisch tätigen Neuraltherapeuten sind die untersuchten Fälle dolent bzw. verquollen. Sie verändern ihre Dolenz und Palpationseigenschaft je nach angewendeter Neuraltherapie am effektivsten und sind so als Therapiekontrolle einsetzbar. [29]
Auch die muskulären Triggerpunkte nach Travell und Simmons [30], die Maximal- bzw. Druckpunkte nach Mackenzie, Valleix, Sell u.a., der Nabeldruckschmerz bzw. Schmerz über der Bauhin‘sche Klappe (im engl. ileocoecal valve bzw. ICV), die Druckpunkte nach Weihe [18], welche die Homöopathie nach Hahnemann ergänzen, sowie die Hautfalten nach Kibler [31] sind segmentale Hinweise für metabolische und vegetative Störungen.
Nach Ausgleich des absoluten Beckentief- bzw. -schiefstandes (BSS) bzw. Beinlängendifferenz (BLD) mit „Brettchen“ nach Abb.3 (temorärer Beinlängenausgleich bzw. BLA) kann eine weitere Haltungsanalyse erfolgen. [26,32]
Der Spine off Test dient zur Diagnostik einer Blockierung des ISG bzw. SIG [26] und kann jederzeit durch andere Tests im Stehen (z.B. Vorlaufphänomen, Hip drop sign) oder im Liegen (z.B. nach Menell oder Stoddard) bzw. nach Therapie kontrolliert werden. [27,28,32]
Befunde wie „leg turn in bzw. out“ (oder auch „arm„) sind selten Folge einer angeborenen oder erworbenen Störung der Rotation von Schenkelhals (oder Oberarmkopf), jedoch eher im Zusammenhang gestörter muskulärer Zusammenhänge (siehe Lehrbücher der applied kinesiology) zu sehen und weisen über den Bezug zum Meridiansystem der Akupunktur auf Störungen der Organ(system)e hin.
Sollten trotz BLA (aufsteigender Fehler) und Korrektur der o.g. Blockierung bzw. osteopathischer Behandlung der muskulären Dysbalance einschl. postisometrischer Relaxation (ggf. sogar nach Neuraltherapie) eine Beckenverwringung (horizontaler Beckenfehler) resistent bleiben, was durch den Vorlauf im Sitzen bzw. Test nach Derbolowski zu erkennen ist, muss an einen absteigenden Fehler und somit an eine Bißrelationsstörung gedacht werden. [10,27,28,32]
In der alltäglichen Praxis reicht die Dokumentation des Kapselmusters eines Gelenkes nach Cyriax aus. Das Bewegen, Halten, Hebeln von Abschnitten des neuromuskulären Systems zur semi-qualitativen Einschätzung einer Situation ist schon funktionell aussagefähiger und je nach Anamnese und als Therapiekontrolle zu prüfen bzw. zu kontrollieren [6,19,20,26].
Der Muskeltest [21,22] bzw. kinesiologische Muskeltest nach Goodheart [10] ist einzeln bzw. als Summentest vor und nach einer Behandlung als diagnostisches Kriterium zu verstehen. Andere Summentests (z.B. Armlängentest bzw. –zeichen nach van Assche [23]) sind weniger zeitaufwendig. Alle Muskeltests sind standardisiert anzuwenden und dienen somit als Verlaufskontrolle einer unmittelbaren physikalischen (z.B. Chirotherapie, Manualtherapie mit Dehnung und postisometrischer Relaxation, Strain-Counter-Strain-Technik sowie Faszientechniken), reflektorischen (z.B. Akupunktur, Akupressur u.ä.) sowie chemischen Reflextechniken (z.B. örtliche Betäubung und Neuraltherapie).
Das Messen des Blutdrucks nach Riva-Rocci kann durch den Test nach Ragland im Liegen und Stehen mit der Ermittlung der Differenz innerhalb von wenigen Minuten ergänzt werden. Er weist wie die Messung der axillären Körpertemperatur nach Barnes (morgens, nüchtern, im Liegen bzw. vorm dem Aufstehen) auf endokrine Störungen (z.B. adrenal fatigue bzw. Dysfunktion der Schilddrüse) hin [24].
Schweißtests zur semiqualitativen und –quantitativen Diagnostik des vegetativen Nervensystems (z.B. Ninhydrin-Test nach Moberg zum Nachweis von stickstoffhaltigem Schweiß durch Bildung eines Farbstoffes) sind auch wenig verbreitet und zeitaufwendig.
Dagegen scheint die Analyse der Vegetativums mittels der Messung der Herz-Raten-Variabilität (HRV) (Abb.4) besser handhabbar, nachvollziehbar und dokumentiertbar zu sein. Sie ergänzt nicht nur leitlinietreu, sondern „verbindet“ unterschiedliche Regulationstests wie Pupillomotorik, Dunkelfeld, Thermoregulation, Biophotonen und Aurafotographie mit therapeutischen Naturheilverfahren, was immer größere Bedeutung bei der Diagnostik des Müdigkeits-, Erschöpfungs- bzw. Chronic Fatigue Syndroms (CFS) dar [25].
Der Iridographie gehört die Zukunft, insofern sie nicht nur Momentaufnahmen (Abb. 5) nutzt, sondern auch mit Messverfahren zur Dokumentation der quantitativen Reaktion der Pupille bei definierbaren Stress-Provokationen wie Kipptisch, Neuraltherapie o.ä. kombiniert wird.