Die Neuraltherapie (engl.: neural therapy) ist eine Methode mit diagnostisch-therapeutischen Einsatz von Lokalanästhetika zur Behandlung von funktionellen Störungen reversibler Natur. [1,2,3,4,5,7,8,25]
Hierzu verweise ich auf die Embryologie und Anatomie des vegetativen Nervensystems, auf die Patho-Physiologie der Signaltransduktion durch Transmitter sowie die Geschichte und Pharmakologie von Procain und anderer Lokalanästhetika bzw. Membranmodulatoren.
Als weitere entscheidenden Grundlage zum Erlernen dieser komplementären Methode ist das Studium (lat.: studere = sich bemühen) der Akupunktur [9], der Grundregulation in Bindegewebe, Grundsubstanz bzw. extrazellulärer Matrix, des neuromodulativen Triggers (so genanntes „Störfeld“) sowie der Grundlagen von Stress und Salutogenese zu empfehlen. [10,11,12, 13,14,15,16,17,27,28] (siehe dazu auch unter www.dgfan.de)
Ziel und Indikation zur Neuraltherapie ergeben sich aus der wenig versprechenden radiologischen Diagnostik (nutze ich natürlich beim Makro-Trauma bzw. zur Ausschlussdiagnostik), der oft fehlenden serologischen Differentialdiagnostik („das Blutbild ist in Ordnung“) und erfolglosen „evidence-based“-Therapie eines postraumatischen, inflammatorischen, neuropathischen, sympathikotonen, complex-regionalen oder gar somatoformen Schmerzes und seiner Begleitumstände wie Übelkeit, Schwindel, Taubheit, neurologische Sensationen sowie Blockierungen (weist auf das oder die gestörten Segmente sowie übersäuerte Grundsubstanz hinweist), Triggerpunkte und migränoide Symptome (weisen oft auf den oder die gestörten Leitbahnen bzw. Akupunktur-Meridiane hin), Thermoregulationsstörungen (weist auf sympathikotone Störung hin), Herzrhythmusstörungen (weisen oft vagale Störungen hin) sowie Narben- bzw. Wundheilungsstörungen, gingivo-dentogene, sinusogen-tonsillogene Befunde und Endokrinopathien (weisen auf neuromodulative Trigger hin). [10,18,19,20,21,23,24,25,27,28]
Die Neuraltherapie sollte immer komplementär und kombiniert mit der „Schulmedizin“, anderen biologischen Verfahren bzw. Methoden der Natur- und Erfahrungsheilkunde [9,10] und nicht bei verunsicherten, änsgtlichen bzw. nicht kooperierenden Patienten, lokalen und systemischen Komplikationen wie unklare bakterielle oder Pilz-Infektionen, frischen Hamätomen, nachgewiesenen Allergien, arteriellen Hypotonien, AV-Blöcken und Psychosen angewendet werden.
Bei Antikoagulation gilt es, zu entscheiden, bei welchem Laborstatus (Quick bzw. INR) welche Injektionstechnik wie risikoreich ist und darüber schriftlich aufzuklären.
Bei Multi- bzw. Polyallergie (v.a. Allergie gegen so genannte Para-Gruppen bzw. Sulfonamide) oder anamnestischer Angabe einer Allergie ist eine Testinjektion als Quaddel in Verbindung mit dem Quadrantentest nach Mudra [1] hilfreich (aber nur die juckende Blasenbildung gilt als Hinweis!). Der Basophilen-Degranulationstest (BDT) im Serum gilt als sicher aussagefähig.
Aufgrund der Invasivität ist v.a. über versehentliche und seltene Verletzungen von venösen Gefäßen, der Pleura, der intraarteriellen Injektion in zentrale Gefäße und toxische bzw. häufige vegetative Nebenerscheinungen schriftlich aufzuklären.
Je nach klinischer Wirkung des Lokalanästhetikums am Nerv bzw. der Wirkdauer besteht eine zeitbegrenzte Fahruntauglichkeit von 30 min bis mehrere Stunden!
Schwangerschaft und Stillzeit stellen keine absolute Kontraindikation für die Anwendung von Procain per se dar.[25]
Die Quaddelung (Abb.1), eine Form der Segmenttherapie, ist eine der am häufigsten erfolgreich angewendeten Therapien und kann auch von zugelassenen Heilpraktikern nach entsprechender Ausbildung und Zertifizierung schmerztherapeutisch genutzt werden. [26]
Wie im Beitrag zu den Membranmodulatoren beschrieben, nutzt die neuraltherapeutische Schmerzbehandlung gezielte Infiltrationen im Segment (Dermatom, „Subkutom“ bzw. Matrisom nach Grimaud und Lortat-Jacob [17], Fasziotom/Myotom, einschl. „needling“ von Triggerpunkten, Sklerotom/Osteotom/Arthrotom/“Vertebrom“ und Enterotom/Viscerotom) und damit nicht nur kurzzeitig erfolgreich. [1,2,3,4,5,6,7,8,10,19,20,21,22,23,24,25,27,28]
Je nach Regulationsfähigkeit, Beschwerden bzw. dem klinischen Verlauf erfolgt die Neuraltherapie lokoregional an den bekannten und gut ereichbaren peripheren Nerven bzw. Plexus, an den rami dorsales bzw. artikulares der Facetten(gelenke) nach Mink (Abb.2) sowie periarteriell bis zu den Endaufzweigungen (cave: Ausschaltung axonaler Schmerzreflexe über so genannte Ephapsen). [1,2,3,4,5,6,7,8,10,19,20,21,22,23,24,25,27,28] Dies sollte jeder Arzt im ambulanten und stationärem Alltag beherrschen bzw. in speziellen Workshops erlernen. Techniken am sympathischen Grenzstrang bzw. Ganglien (z.B. Ganglion cervicale superius nach Hausammann, stellatum nach Fontaine und Leriché und coeliacum nach Barop oder Hausammann sowie Ggl. impar, an vorwiegend parasympathischen Ganglien (z.B. Ggl. ciliare, spheno-pterygo-palatinum und oticum nach Shirmohammadi u.a.) [10,25] sind von großem Nutzen für den jeweiligen Facharzt (hier sind auch Uro-Gynäkologen, HNO-, Augen- und Zahnärzte angesprochen). Sie eine erfolgreiche Arbeitsgrundlage für jeden Schmerztherapeuten bzw. Anästhesisten und sollten verbessert im Gebührenkatalog für Ärzte, in oder als spezielle Zusatzbezeichnung und in Leitlinien abgebildet sein. Bisher habe ich zwar Einträge zu Lidocain-Inhalationen, -Infusionen bzw. -Pflaster, jedoch nur negative bei CRPS bzw. als Spinalanästhesie bei Alternativempfehlung zu Prilocain oder Chlorprocain (hier läuft gerade eine Vergleichsstudie zu Allgemeinanästhesie bei ambulanten Knieeingriffen in Mannheim) gefunden).
Schon in der Akupunktur ist der „Non-Responder“ bekannt. Seit den ausführlichen Arbeiten der Gebrüder Huneke, der Nachfahren und Dozenten zahlreicher Fachgesellschaften ist das Störfeld bzw. neuromodulativer Trigger [18] in der Regulationsmedizin Alltag. Durch dramatische Veränderungen der äußeren Umwelt bzw. der Grundregulation (von tödlichen bzw. pharmako- und operationspflichtigen Akuterkrankungen zu psychodynamischen bzw. pharmako- und operationsresistenten Befindlichkeitsstörungen) in den industriellen Nachkriegsjahren läßt sich das ursprünglich beschriebene Sekundenphänomen trotz immer besser werdenen bzw. variableren funktionellen Tests wie RAC, Kinesiologie, LASER, Thermographien etc. kaum noch dokumentieren. [25] Dagegen sind die von Huneke, Schleich, Spieß, Leriché und Hopfer beschriebenen Segment-, retrograden, Reaktions- bzw. unvollständigen, verzögerten oder gar stummen Sekundenphänomenen zu beobachten und warten nur auf randomisierte Analysen (Abb.3). Ich ermutige jeden an der weltweiten Forschung und Diskussion bzw. nach einer Ausbildung mit Masterdiplom (www.dgfan.de) „off label use“ unseren chronisch-psychosomatisch-ermüdeten Schmerz-Patienten zu helfen.
In meiner täglichen Praxis stellen avitale Zähne (wie gut auch endontologisch behandelt), apikale bzw. fettige Degenerationen des Kieferknochens, chronisch-latente Sinusitiden und schlecht, sekundär bzw. unter Keloid geheilte Narben der Haut, Tonsillen und portio uteri die häufigsten Befunde dar, welche im Zusammenhang mit Beschwerden und deren Beeinflussung (sofortige bis über mehrere Tage anhaltende Besserung) nach lokaler Infiltration mit Procain stehen.